Multisensorische und andere Erfahrungen
Rot. Blau. Gelb. Grün. Bio-Qualität. Toll, dachte ich, das wird der Hit für die Kinder.
Dem Nachwuchs multisensorische Erfahrungen ermöglichen, das hörte sich toll an, als mir dies die Verkäuferin in dem Fachgeschäft für Spielzeug und Bastelbedarf erklärte. Also packte ich vier in Recyclingkarton verpackte Sets ein.
Jetzt im April würde das Wetter zeitweise schlechter werden, und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kinder wären da sicher willkommen - bei den Kindern und den Eltern. „Muss man bei dem Produkt irgendetwas beachten?“, fragte ich beim Bezahlen noch.
„Nein, da müssen Sie sich überhaupt keine Sorgen machen“, erklärte mir die Verkäuferin mit einem Strahlen auf dem Gesicht. „Sie und Ihre Kinder können da ganz entspannt rangehen!“
Ja, die Kinder - nicht meine eigenen. Vier Nichten habe ich. Drei davon sind Schwestern. Wenn die sich zusammen mit ihrer Cousine in einer Reihe aufstellen, dann sehen sie aus wie die Orgelpfeifen.
Eigentlich hatte ich gedacht, an jenem Wochenende noch Orgelmusik zu hören, denn ein großes Ereignis stand ins Haus. Ich sollte mal wieder in die Kirche gehen. Die erste Erstkommunion in der Familie seit achtundzwanzig Jahren, seit meiner eigenen.
Wir gingen zwar alle seit Jahren nicht mehr regelmäßig in die Kirche, und einer meiner Brüder hatte nur standesamtlich geheiratet. Aber bestimmte Sakramente empfing man eben doch noch. Das war allen wichtig - der guten Ordnung halber. Man wollte ja das intakte Bild aufrecht erhalten, das von unserer Familie stets in die Nachbarschaft der Siedlung abgestrahlt worden war.
Jedenfalls wurde ein großes Fest vorbereitet, fünfundzwanzig Gäste eingeladen, eine entsprechend große Tafel im Lokal meines Onkels reserviert, und auch in anderen Bereichen wurde nicht gespart. „Dick auftragen“ - dieses Prinzip scheint allen Blutsverwandten meiner Familie genetisch einprogrammiert zu sein.
Nach vier Stunden auf der Autobahn kam ich an diesem Samstagnachmittag bei meinem Elternhaus an. Es wurde von meiner Mutter und den Familien meiner beiden Brüder bewohnt. Ich ging direkt in den Garten.
„ONKEL PAUUUL!!!“, hörte ich die vier Mädchenstimmen gleichzeitig brüllen. Sekunden später umklammerten vier kleine Menschen meine Beine.
Diese Geschichte können Sie hier zu Ende lesen.
7.7.20
Diese Geschichte hat beim Schreibwettbewerb des Mitmach-Projektes beim Schreiblust-Verlag im Juni 2020 den 3. Platz belegt.