Was kommt in die Tüte?
»Gerda, machst du mir ein Käsebrötchen?«
»Ein Brötchen mit Käse oder ein überbackenes Käsebrötchen?«
»Ein richtiges Käsebrötchen.«
»Also, ich kann dir ein normales Brötchen oder ein anderes Brötchen mit Käse belegen. Oder ein mit Käse überbackenes Brötchen geben. Oder ich belege dir das überbackene Käsebrötchen mit Käse. Und
Salat, Gurke, Tomate.«
»Ach Gerda, mach mir doch einfach ein Käsebrötchen!«
»Ok. Mach ich.«
Das ist das erste frühmorgendliche Beratungsgespräch über Käsebrötchen, das ich in meinem Leben mitbekommen habe. Muss das sein?
»Wir haben auch Käse-Kürbiskernbrötchen ... Nein? ... Ok, ein Käsebrötchen, also.«
Ich stehe um sechsuhrdreißig in der Schlange beim Bäcker. Dieser hier macht schon ein wenig früher auf als die anderen Filialen an unserem Ferienort. Meine Frau hat vorbestellt, damit ich nicht
denken muss. Außerdem geht es dann schneller, oder?
»Nein, aber ohne Tomate. Das wird mir zu matschig.«
»Das hättest du mir aber auch gleich sagen können!«
»Hab ich noch nie mit Tomate genommen. Jetzt fummel da nicht mit den Fingern in der Remoulade rum, Gerda!«
Die Bäckereifachverkäuferin greift die Tomatenscheibe zwischen Daumen und Zeigefinger, steckt sie sich in den Mund und lutscht die weiße, mit Kräuterstückchen durchsetzte Eigelb-Fett-Creme von
ihren Fingern ab. Dann zwinkert sie ihrem Stammkunden zu, legt mit der anderen Hand die Brötchenhälften aufeinander und sagt: »Das macht drei Euro und fünfzig Cent.«
Der Kunde fingert einen braunen Geldschein aus seiner Geldbörse.
»Ach, das ist Käse ... Fünfzig Euro ...« Sie schnauft. »Das ist so früh morgens immer schwierig.«
»Na, wenn es morgens immer schwierig ist, warum habt ihr nicht ausreichend Wechselgeld da?« Die Weißgekleidete schnauft nochmals.
Meine Aufmerksamkeit schwenkt zu den nächsten Kunden, die von der zweiten Bäckereibediensteten angesprochen werden.
»Wir brauchen fünf belegte Brötchen.«
»Sehen Sie mal hier in der Auslage. Was möchten Sie haben?«
»Ein normales mit Käse, auch ohne Tomate. Ein Roggen mit Käse ohne Gurke. Ein Weltmeister mit Gurke, aber Butter statt Remoulade. Und zwei Käse mit Salami. Eins davon mit einem Salatblatt. Aber
das zwischen die Salamischeibe und die obere Hälfte vom Brötchen.«
»Die muss ich aber alle frisch belegen.«
»Ja.«
Auch die zweite Verkäuferin kann schnaufen.
»Das muss meine Kollegin machen.«
»Warum?«
»Ich bin nur Aushilfe und habe noch nicht den entsprechenden Lehrgang gemacht. Qualitätsmanagement, Sie verstehen ...« Sie wendet sich der Kundin vor mir zu. »Moin!«
»Grüß Gott!«
»Moin! ... Was darf es denn sein?«
»Sieben Semmeln.«
»Haben wir nicht.«
Zum ersten Mal in meinem Leben meine ich, ein Fragezeichen über einem menschlichen Kopf schweben zu sehen.
»Wir haben nur Brötchen. Rosenbrötchen, Kaiserbrötchen, Normale, Roggenbrötchen und all das, was Sie hinter mir hier sehen können.«
»Was sind denn das da für Brötchen?«
»Fitness.«
»Aha.«
»Und die?«
»Weltmeister.«
»Hmm ... Ich wollte eigentlich nur sieben Semmeln.«
Gerda hakt ein: »Gib ihr sieben Rosen.«
»Vielen Dank für die Blumen«, murmele ich, fange mir zwei böse Blicke ein und muss dann lachen.
»Sind Sie Komiker?«
»Nein, ich tanze bei den Schrippen-Dales«, antworte ich. Wo kam das denn jetzt her? Für so eine Antwort muss ich normalerweise länger überlegen.
Dann bin ich dran.
»Moin!«
»Moin!«
»Meine Frau hat vorbestellt. Müller, mein Name.«
»Sie müssen mir ihren Bestellcode sagen. Wir haben täglich fünf Vorbestellungen auf Müller. Die Kunden mit Allerweltsnamen bekommen einen Abholcode. Qualitätsmanagement, Sie verstehen ...«
»Ach, ja, hier habe ich den Zettel von meiner Frau ... X2348-A-49. Und ich hab's passend.«
Stimmt, im letzten Urlaub haben wir zweimal eine Überraschungstüte vom Bäcker bekommen. Da waren auch Käsebrötchen drin. Richtige Käsebrötchen.
Version 4